Peter, Sebastian und ich haben neulich bei Twitter mal über die verschiedenen Fassungen von William Friedkins „The Exorcist“ gesprochen. Kurz darauf fiel die Entscheidung, uns parallel den Director’s Cut anzusehen und gleichzeitig darüber zu twittern. Gestern war es soweit. Mit dabei waren auch noch Rob, Laura und Annika. Es war ein sehr schöner Abend weil: nette Leute und lustige Kommentare. Aber natürlich auch, weil „The Excorist“ – das ist mir gestern wieder klar geworden – ein ganz formidabler Film ist. Auf einer oberflächlichen Ebene ist es ein straighter, spannender Okkultismus-Thriller. Dahinter scheint er aber vielschichtiger und bedeutungsreicher zu sein, als man zunächst annimmt.
Aufgrund von Dreharbeiten zieht die geschiedene Filmschauspielerin Chris MacNeil (Ellen Burstyn) mit ihrer Tochter Regan (Linda Blair) und zwei Hausangestellten nach Washington D.C. in eine Stadtvilla. Als Regan schleichend ihr Verhalten ändert, sucht Chris verschiedene Ärzte auf – ohne Erfolg. Als einer der Ärzte vorschlägt, Chris solle einen Exorzismus versuchen, ist sie zunächst skeptisch. Doch Regans Verhalten nimmt immer drastischere Züge an, so dass die überforderte Mutter keine andere Wahl mehr hat.
Zunächst scheint „The Exorcist“ drei Geschichten zu erzählen, die von Pater Lancaster Merrin (Max von Sydow), die von Damien Karras (Jason Miller) sowie Chris MacNeil und ihrer Tochter Regan. Es funktioniert ganz wunderbar, wie ungezwungen und trotzdem stimmig Friedkin diese Erzählstränge zusammenführt. Schon von Anfang an ist die Stimmung bedrohlich, aber auf eine solch subtile Weise, wie man sie nur ganz selten findet. „Rosemarys Baby“ könnte man als Film anführen, der einen ähnlich gelungenen, sukzessiven Spannungsaufbau hat. Das Grauen in „The Exorcist“ wird aber im weiteren Verlauf expliziter dargestellt als in Polanskis Film. Die zunehmende Vulgarität, der großzügige Einsatz von Körperflüssigkeiten und das Fortschreiten von Regans äußerlichem und innerlichem Verfall sollen den Zuschauer schockieren – aber der Schock ist hier kein genrekonformer Selbstzweck, sondern ein Symptom der Entfremdung. Nichts ist größer als die Angst vor Tabubrüchen. Und Regans Verhalten liegt definitiv außerhalb der Norm. Sie gehört nicht mehr dazu. Die Fremdheit, die das eigene Kind, das ja eigentlich das vertrauteste auf der Welt sein sollte, auf einmal ausstrahlt, ist wahrscheinlich das Verstörendste an dem ganzen Film. Und das auch deshalb, weil bestimmt jeder eigene Erfahrungen mit dem Fremden hat – z.B. mit Menschen, die anders aussehen oder andere Sprachspiele spielen – und insofern die im Film geschilderte Situation bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen kann.
Hätte Mutter Chris die Veränderungen an ihrer Tochter nicht einfach als Zeichen ihrer Individualität und Entfaltung ihrer Persönlichkeit akzeptieren können? Natürlich nicht. Die Abweichungen von der Norm waren einfach zu groß. Da konnte einfach nur ein Dämon dahinter stecken. Heute sind es auch gene mal Horrorfilme, gewaltverherrlichende Computerspiele oder das böse Internet.
5 Kommentare zu „The Exorcist (William Friedkin, USA 1973)“