Rationalität, Vernunft, Logik. Der Mensch ist so stolz auf seine Fähigkeit, die Welt zu verstehen und ordentlich in beschriftete Schubladen zu verstauen. Doch was wäre, wenn er aller Selbstwahrnehmung zum Trotz eher ist wie das Blatt im Wind, das Meer im Spiel der Gezeiten, das instinktgesteuerte Tier?
Die beiden Schwestern, die 15-jährige Brigitte (Emily Perkins) und die 16-jährige Ginger Fitzgerald (Katharine Isabelle) sind Außenseiterinnen, für ihre Umwelt haben sie nur Verachtung übrig. Doch untereinander sind die beiden unzertrennlich. Das ändert sich, als Ginger nachts von einem Tier angefallen wird. Sie überlebt den Angriff, ist danach aber verändert. Nicht nur, dass sie anschließend auf einmal Interesse an Jungs zeigt, auch ihrer Schwester gegenüber verhält sie sich feindselig. Ihre Eltern sehen Gingers Verhalten für ein Zeichen der Pubertät an, doch Brigitte weiß es besser: Ihre Schwester wurde von einem Werwolf gebissen.
„Ginger Snaps“ ist fast so etwas wie das weibliche, reifere Pendant zu „Teenwolf“ – und einer der schönsten Werwolf-Filme, die ich kenne. Diese Stimmung, dieser Himmel! Die Geschichte thematisiert ganz wunderbar das Erwachsenwerden, die Pubertät, den jugendliche Impuls, sich abgrenzen und gleichzeitig dazuzugehören, ohne dem Zuschauer aber jemals das Gefühl zu geben, es ginge um die Vermittlung pädagogischer Botschaften. Nein, hier geht es wirklich um zwei Mädchen und ihre Situation (ihre Freundschaft und Einstellung zum Leben, mit seltsamen Eltern „gesegnet“ und in der Schule verhasst zu sein etc.). Ich habe Emily Perkins und Katharine Isabelle sehr gerne dabei zugesehen, wie sie ihre vom Tod faszinierten Figuren in bester „Harold And Maude“-Manier spielen.
Ebenfalls sehr gut gefallen hat mir, wie John Fawcett und Co-Autorin Karen Walton es schaffen, ihren sehr eigenen Humor in den Stoff weben (beispielsweise liegen überall tote Hunde herum), ohne dabei ins Alberne abzugleiten und die Spannung des Films zu untergraben. Sie liefern damit sogar noch ein interessantes Statement und bereichern das Werwolf-Genre um eine Facette. Es ist bestimmt kein Zufall, dass hier der weibliche und der Zyklus eines Werwolfes in solche Nähe gerückt werden. Ehe sich jemand aufregt: Ich denke nicht, dass dies ein einfacher PMS-Scherz ist, sondern, dass Fawcett und Walton hier augenzwinkernd einen Frontalangriff auf die Selbstwahrnehmung des Menschen startet. Nicht mehr die Vernunft ist die treibende Kraft hinter unseren Handlungen. Die Gefühle sind es. Und die werden eben nicht durch unseren Kopf gesteuert, sondern durch den Mond oder eben auch ein saftiges Kotelett.
Auf Twitter haben wir gestern darüber gesprochen, wie Filmkritik sein sollte. Sebastian drüben vom Hirnrekorder vertrat die Ansicht, dass eine Kritik möglichst umfassend sein und sich nicht nur auf Details konzentrieren sollte, dass in sie alles gehört, nicht nur die guten Aspekte eines Films. Ich möchte die Notizen dieses Blogs zwar nicht als Filmkritiken verstanden wissen, das Gespräch aber zum Anlass nehmen, auch mal wieder einen negativen Punkt nennen: Der Werwolf in „Ginger Snaps“ teilt das Schicksal der meisten Filmwerwölfe – er sieht nämlich ziemlich bescheiden aus. Doch dieser scheinbar zentrale Aspekt erweist sich (wie neulich schon bei „Howling III“) angesichts des Gesamtwerks als vernachlässigbare Kleinigkeit, ja, er ist fast schon wie ein kleiner Schönheitsfleck.
Ich fand den Film auch richtig gut!
Eigentlich ist das nicht mein Genre, aber die Story ist wirklich gut geschrieben und auch gut umgesetzt.
Meiner Meinung nach viel besser als jeder Twilight-Film.
LG
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