Tarantula (Jack Arnold, USA 1955)

Mit „Tarantula“ schließe ich – 3 Wochen verspätet – den #Monstermay. Film Nummer 7 war „Dainipponjin“ von Hitoshi Matsumoto, zu dem mir aber nicht so recht etwas eingefallen ist. Aber zumindest zum 8. und letzten Film, dem einzigen aus der Liste, den ich bereits kannte, möchte ein paar Sätze schreiben. Dazu muss ich aber etwas ausholen.

Meine erste Begegnung mit Monsterfilmen hatte ich als Kind in der NDR-Spielfilmreihe „Das Gruselkabinett“ (wer kennt das noch?). Es lief „Tarantula“ von Jack Arnold, ein Film über eine mutierte Riesenspinne. Ich erinnere mich, dass meine Eltern, die abends ausgingen, mich unvernünftiger Weise vor dem Film warnten, so dass ich selbstverständlich nicht widerstehen konnte. Hätte ich auf meine Eltern gehört, wäre ich wahrscheinlich von einigen schlaflosen Nächten verschont geblieben. Aber dann hätte meine filmische Sozialisation auch einen anderen Weg eingeschlagen. Jedenfalls hat mich in „Tarantula“ gar nicht so sehr die riesige Spinne geängstigt, sondern die Mutation, die einer der Wissenschaftler erleiden musste –hervorgerufen durch den Selbstversuch mit einem Wachstumsserum. Die Bilder haben sich festgebrannt.

Vieles, was mich in den folgenden Jahren an Monsterfilmen faszinieren sollte, war bereits in Arnolds Film angelegt. Zum einen – und das ist wahrscheinlich für die meisten Menschen der Grund, Monsterfilme zu mögen – ist es die Angst vor diesen unschönen Kreaturen und die wohlige Gänsehaut, sie aus der sicheren Entfernung des Fernsehsessels beobachten zu können. Hier spiegelt sich die Angst des Menschen vor dem Anderen wider, hier erklärt sich, warum das Monster immer schon ein ausgegrenztes Wesen war, das in unserer Gesellschaft keinen Platz findet und deshalb Monsterfilme oft auch traurige Filme sind. Zum anderen fasziniert mich schon immer, dass die meisten Monster von uns selbst erschaffen oder zumindest irgendwie durch menschliches Verhalten hervorgerufen werden. Das prominenteste Beispiel ist wohl der König aller Monster, „Godzilla“, der als Teil der emotionalen Verarbeitung der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki  gesehen werden kann – das Monster als unsanfter Mahner, unsere Seele nicht der Technik zu verschreiben. Es gibt noch einen dritten Punkt, den ich spannend finde – und auch der ist bei Arnold präsent: Das Monster zielt nicht allein auf die Angstlust der Zuschauer. Es ist ein Wesen, das zwar außerhalb der menschlichen Gesellschaft steht, diese aber gleichzeitig (be)stärkt, weil es ein Symptom des Wunsches nach Verwandlung sind. So unwahrscheinlich das klingt: Im Monster drückt sich die menschliche Sehnsucht anders zu sein, ja nach Transzendenz aus.

Nachdem ich „Tarantula“ nun endlich noch einmal gesehen habe, bin ich sehr erfreut, dass der Film – obwohl ich dem schreckhaften Alter mittlerweile entwachsen bin – seine Wirkung immer noch nicht verfehlt. Das liegt, wie gesagt, weniger an der Spinne und an den für Mitte der 1950er Jahre guten Spezial-Effekten, sondern an den Figuren. Prof. Deemer gespielt von Leo G. Carroll und seine Kollegen sind ein ganz wunderbarer mad scientists, schon allein deswegen, weil sie eigentlich kein Stück verrückt ist. Sie tuen das, was man als Wissenschaftler auch heute eben so tut. Der Wunsch, mehr über die Welt zu wissen und ein größeres Maß an Kontrolle über sie zu haben, reicht völlig aus, um seine Handlungen plausibel zu erklären. Dem Thema „Größe“ eine tiefere Bedeutung oder auch philosophische Qualität abzuringen, wie es ihm dann zwei Jahre später mit„The Incredible Shrinking Man“ glücken sollte, ist ihm hier noch nicht gelungen. In „Tarantula“ ist das große Tier zunächst und vor allem eine Bedrohung für den Menschen – und Sprengstoff das Mittel der Wahl, dieses Problem zu lösen. Was mich zum traurigen aber gleichwohl dann wieder äußerst geglückten Ende des Films bringt: Wer groß ist, bietet auch viel Angriffsfläche. Bye bye Tarantula!

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